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Die Dosis macht das Gift


Die Dosis macht das Gift

Würde ein Diabetiker jemals auf die Idee kommen, sich die Monatsration an Insulin auf einmal zu verabreichen, um vier Wochen lang davon leben zu können? Ähm….Nein! Denn der Körper braucht, um ordentlich funktionieren zu können, die richtige Dosis zur richtigen Zeit. Und das auf konstante und kontinuierliche Weise. Alles auf einmal könnte fatale Folgen haben.


Und genau so ist es mit dem körperlichen Training. Selbst ein einstiger Eliteathlet, der in seiner Jugendzeit Höchstleistungen vollbracht hat kann sich nicht die restliche Zeit seines Lebens auf die faule Haut legen und erwarten, von seiner sportlichen Vorgeschichte zu zehren. Es ist nun einmal so - und ich schreibe bewusst nicht „leider“ an dieser Stelle - dass wir körperliche Bewegung und Gesundheit NICHT wie auf einer Bank einzahlen und später wann wir wollen davon Gebrauch machen können. Im Gegenteil, von nichts kommt dann auch nichts mehr. Und je länger wir mit der nächsten Einzahlung warten, desto kleiner wird der Betrag auf unserem Sportkonto.


Immer wieder kommen Hobbysportler oder Athleten aber auf die glorreiche Idee, dass Sonderaktionen einen Quantensprung nach vorne bedeuten. Es seien nur einige wenige erwähnt: In 7 Tagen über 1000 km Rad fahren, in 3 Tagen 10.000 Höhenmeter zu sammeln, einen 5-6 stündige Spinning-Marathon absolvieren oder auch 7-8 stündige Radausfahrten, die dem Betroffenen DEN Leistungssprung und DEN Gewinn an Fitness bringen. Solche Aktionen stellen eine Herausforderung dar und machen mit Sicherheit auch Spaß. Vor allem, wenn man sie gemeinsam mit Gleichgesinnten durchzieht und später die Heldengeschichten am Stammtisch verbreiten kann. Hierzu zählen auch kleinere Abenteuer wie über 200km als Trainingseinheit Rad zu fahren oder mal eben 30-40km zu laufen. Da ist nichts Verwerfliches dran, WENN eine Sache stimmt: die körperliche Konstitution des Helden.


Leider erlebt man es aber immer wieder, wie (nicht nur) sportliche Neueinsteiger oder Hobbysportler meinen zu einer Hauruckaktion greifen zu müssen um schneller besser zu werden als ihr Nachbar. Man genießt die neuen Höhen auf die man sich da katapultiert hat und dann?


Was genau passiert denn im Körper, wenn man mal richtig über seine Grenzen geht?


Unser Herzkreislaufsystem (Herz, Lunge, Blut) erholt sich meist am schnellsten, gefolgt von der Muskulatur, da diese gut durchblutet wird und sich die Zellen recht flott regenerieren.


Sehnen-Bandapparat

Bänder verbinden Knochen mit Knochen und Sehnen verbinden Muskeln mit Knochen. Kein unwichtiges Material – im Gegenteil. Sehnen und Bänder sind faserige Bindegewebsstränge die unseren Körper zusammenhalten. Wenn diese einmal überbeansprucht sind äußert sich das zum Beispiel deutlich als Achillessehnenschmerz oder aber als ein Gelenksschmerz wie zum Beispiel das „Läuferknie“ oder die „Schwimmerschulter“. In beiden Fällen haben wie Sehnen über längere Zeit immer wieder gequetscht, über einen knöchernen Vorsprung hin- und her gerieben und gereizt. Da Sehnen und Bänder nur sehr schlecht durchblutet sind erholen sich diese, einmal in Mitleidenschaft gezogen, nur sehr langsam wieder. Eine Bindegewebszelle erneuert sich auch nicht so schnell wie eine Muskelzelle. D.h., wenn wir an unseren Körper neue sportliche Anforderungen stellen, passen sich Herzkreislaufsystem und Muskulatur viel schneller an als dies unser Sehnen-Band-Apparat kann. Wir sind aber immer nur so stark wie unser schwächstes Glied. Nicht von ungefähr rührt die traurige und wirklich nicht seltene Tatsache, dass ein eifriger Sportanfänger seinen Körper zwei-drei Jahre lang von Anbeginn an über seine individuelle Grenze pusht nur um sich dann mit einem Ermüdungsbruch, einem Knorpelschaden, chronischen Reizzuständen und schlimmstenfalls einer Herzmuskelentzündung wieder aus dem Sport zu verabschieden. Man sollte manche Dinge einfach mit Geduld und vor allen Dingen Verstand angehen. Wie viele Stars und Sternchen schießen mit phänomenaler Geschwindigkeit in den Himmel um dort einmal zu strahlen und dann auf ewig zu erlöschen. Schade.


Unser Immunsystem

Was genau ist eigentlich unser Immunsystem und wo sitzt es? Das Immunsystem ist unsere sehr komplexe körpereigene Abwehr, unser Schutzschild gegen Eindringlinge, die Festung unserer Burg. Je stabiler diese ist, desto besser geht es uns und desto sicherer und unbeschwerter können wir uns den Dingen widmen, die uns wichtig sind. Wenn allerdings an der Front ständig gekämpft, unsere Festung bombardiert wird, Schwachstellen entstehen, die es zu verteidigen gilt, dann braucht das unsere volle Aufmerksamkeit, Kraft und Energie. Sollten wir aber eben mal wieder keine Zeit und keinen Kopf dazu haben, die Abwehr intakt zu halten stattdessen unsere Abwehr sogar zu schwächen und anderweitig zu belasten, dass sie ihre Aufgabe nicht mehr erfüllen kann, so wird unsere Festung irgendwann niedergerannt. Und dann ist das Jammern meist groß.


Die vorderste Verteidigungslinie unseres Immunsystems sind unsere Haut und Schleimhaut, Tränenflüssigkeit, Atemwege, Mundhöhle, Magen und vor alle Dingen der Darm und Harntrakt. Die beiden letzteren sorgen über Abtransport und ständige Entleerung dafür, dass wir Infekte in Schach halten und abwehren können. Hierfür ist ein gesundes Darmmilieu von Nöten.


Stress, mental und trainingsbedingt, hat eine ganzkörperliche Reaktion zur Folge. Unser Körper wird wortwörtlich sauer. Dies lässt sich an Stoffwechselparametern im Blut messen. Hormon- und Immunsystem werden in Mitleidenschaft gezogen. Während einer moderaten NICHT-intensiven sportlichen Belastung steigt der Immunzellengehalt im Blut – nach der sportlichen Belastung sinkt er wieder. Das ist gut für das Immunsystem. Wird aus der extensiven aber eine intensive oder extrem lange Belastung unterdrücken wir unser Immunsystem. Die Anzahl an Lymphozyten und natürlichen Killerzellen sinkt unter deren Normalwert und wir machen uns angreifbar für Krankheitserreger. D.h. unsere Defensive hat ein deutliches Loch. Unser Immunsystem ist zu erschöpft um angreifende Bakterien abzutöten. Oftmals endet das in Atemwegsinfekten. Bei Sportlern die zweithäufigste Ursache (nach Sportverletzungen) für eine Sportpause.


Trainingslager

Wie viel Sinn macht es also, wenn wir als vollberufstätiger Athlet mitten im deutschen Winter ins sonnige Trainingslager fahren, dort innerhalb von 7-14 Tagen von 0 auf 100 unser Pensum steigern, unser Immunsystem komplett in den Keller trainieren um dann mit zerschlagener Defensive wieder ins kalte, Grippewelle geschüttelte Deutschland zu kommen? Mal ganz ehrlich: Jemals nach einem Trainingslager krank geworden? Oder am besten schon angeschlagen hingefahren um dann dort mit Halskratzen und laufender Nase Vollgas zu geben? Ich bekomme es leider viel zu regelmäßig mit. Zumindest bei mir gehen da alle Alarmleuchten an. ABER, nichtsdestotrotz: Wir machen meistens so lange weiter bis es richtig knallt. Soll die Nase halt laufen und der Hals kratzen, man ist jetzt schließlich im Trainingslager und da muss ja Gas gegeben werden. Auch wenn man angeschlagen und unvorbereitet ist.


Wenn ich nur ein paar hundert Euro auf der Bank habe kann ich mir halt den Porsche nicht leisten. Ich könnte mich dafür verschulden und in den Ruin treiben um kurze Zeit ein bisschen den Ruhm und das Ansehen meiner Mitmenschen zu genießen. Aber, ist es das wert? Oder nehme ich lieber den günstigen Wagen, pflege ihn gewissenhaft (auch wenn ich für ihn wenig Bewunderung ernte) und kann ein Leben lang wunderschöne Ausfahrten mit ihm unternehmen. Der Wagen ist letzten Endes unser Körper.


Inzwischen hat es sich bei den meisten Triathleten herumgesprochen, dass ein Training über 5 Stunden nicht mehr sehr viel zusätzlichen Wert für unseren Stoffwechsel hat und die Strapazen dem Körper mehr Kosten als Nutzen bringen. Das heißt nicht, dass man nicht mit entsprechender Vorbereitung auch mal eine überlange Radeinheit für den Kopf machen kann – aber eben dann, wenn dies für den Körper keine Überforderung darstellt. Ich liebe lange Radausfahrten, versteht mich nicht falsch, aber ich mache sie dann, wenn ich die nötige Grundlage gelegt habe und mich in der Lage dazu fühle auch mal eine überlange Einheit gut wegzustecken.


Der stete Tropfen höhlt den Stein

Viel wichtiger als einmal richtig viel zu trainieren, ist dagegen, langfristig, konstant und kontinuierlich am Ball zu bleiben!


Der Triathlon-Einsteiger, der nach zwei Jahren Training schon das erste Mal mit seinem Knie unter dem Messer liegt, von einem Ermüdungsbruch in den nächsten stolpert, die Achillessehnenreizung seit Jahren mit sich mitschleppt oder mindestens mal 2-3 Infekte im Jahr durchleidet muss meiner Meinung nochmal zurück ans „drawing board“ und einen neuen Entwurf skizzieren.


Sportler, die auf eine lange Trainingshistorie zurückblicken und noch im gestiegenen Alter verletzungsfrei und mit Spaß Sport treiben können, haben etwas richtig gemacht. Und von denen kann man etwas lernen.


In diesem Sinne, auf dass wir immer eine Antwort auf die Frage „Was ist der Sinn dieser Einheit?“ haben.


Zum Abschluss dieses Blog-Beitrages eine meiner Lieblingsabbildungen aus Keith Livingstone's Buch: "Healthy Intelligent Training" (Meyer&Meyer SPORT, 3. Aufl. 2012, S.38), welches ich nur wärmstens weiterempfehlen kann.


Keith Livingstone, "HEALTHY INTELLIGENT TRAINING"

Seid lieb gegrüßt,

Eure Celi :)


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