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Ansichten eines Clowns...oder besser: Ansichten eines Coaches


„Ich muss den Weg gehen, den ich gehen muss.“

Helau und alaaf :-)


Es ist schon eine Weile her, dass ich den Roman des Literatur Nobelpreisträgers Heinrich Böll „Ansichten eines Clowns“ gelesen habe. Ich weiß aber noch, dass mich die Handlung des Buches, die sich mit nur wenigen Stunden im Leben der Hauptdarstellers und Berufsclowns Hans Schnier und der streng katholischen Marie Derkum, befasst, richtig gefesselt hat. Es ist die Geschichte eines Mannes, seiner Beziehung und Liebe zu einer Frau. Nach dem 6-jährigen Zusammensein und dem Beschluss zu heiraten zerbricht die ehemals glückliche Verbindung dieser beiden Menschen an der Diskussion um die Art der Trauung und Erziehung der noch nicht geborenen Kinder. Die Frau verlässt ihn über Nacht mit der Abschiedsnotiz „Ich muss den Weg gehen, den ich gehen muss.“


Aus den Ansichten eines Clowns – mache ich nun die Ansichten eines C…oaches!


Auch Coach und Athlet gehen eine Beziehung miteinander ein. Eine Trainer-Athleten Verbindung. Jeder hat seine eigenen Ansichten, Wünsche und Bedürfnisse – die es zu respektieren gilt.


Ich bin nun seit etwas über 12 Jahren im Ausdauersport als aktive Athletin unterwegs und hatte bis dato sieben unterschiedliche Trainer. Ich selbst habe für mich die Entscheidung getroffen, ob die Zusammenarbeit mit meinem aktuellen Coach sich für mich richtig anfühlt, ich das Konzept verstehe, mich betreut fühle und für das was ich bezahle auch eine entsprechende Leistung erhalte. Mir war es dabei immer wichtig ein positiver, konstruktiver und möglichst pflegeleichter Athlet zu sein. Egal wie viele Euros ich meinem Trainer monatlich überwiesen habe, ob es 100 waren oder 400. Wenn ich eine sinnvolle Frage hatte, habe ich diese gestellt, alles Weitere habe ich selbst gelöst. D.h. ich habe die Verantwortung für mein Trainingsverhalten übernommen. Meine Idee war diese: Wenn es dem Coach Spaß macht mit mir zusammenzuarbeiten, dann kann das nur Vorteile für die Qualität meiner Trainingspläne und das Endergebnis bedeuten. Wenn ich ihn aber andauernd mit Kleinigkeiten auf Trab halte, dann raube ich ihm die Zeit und Energie sich um das Wesentliche und Essentielle zu kümmern.


Das heißt NICHT, dass ich nicht auch erwartet hätte, dass ein Coach auf wichtige persönliche Bedürfnisse eingeht. Genau da unterscheidet sich ein guter von einem nicht so guten Coach. Eine individuelle Betreuung von einer Massenabfertigung. Ein Athlet, der seit vielen Jahren in ein und demselben Sport trainiert, so einiges ausprobiert und getestet hat, hat meines Erachtens nach einen eigenen Instinkt entwickelt und sollte diesen dem Coach gegenüber auch mitteilen dürfen/können. Ein erfahrener Athlet spürt was ihm fehlt und was nicht reibungslos klappt. Das sollte ein Coach nicht missachten. Ich finde durchaus, dass ein Athlet der über Jahre hinweg kontinuierlich und mit Verstand an seiner performance gearbeitet und gefeilt hat ein sehr valides Körpergespür besitzt.


Wir sind nicht alle gleich und es gibt Athleten, die brauchen eine andere Behandlung da für sie das nicht funktioniert, was für die breite Masse funktionieren mag.


Im Gegensatz dazu steht der Neuling/Einsteiger/Anfänger der erst seit kurzer Zeit den Triathlonsport für sich entdeckt hat, Ideen aus dem Internet, Zeitschriften und dem Gespräch mit anderen Athleten aufgreift und plötzlich meint er muss viel mehr, viel härter, viel länger trainieren, diese oder jene Einheit machen und sich der einen oder anderen Diät hingeben. Die wenigsten dieser Athleten machen sich die Mühe diese „magischen Einheiten“ und anderen „Zaubertricks“ kritisch zu hinterfragen und zu erforschen was wirklich dran ist und was nicht. Sich als Einsteiger an den Einheiten von Profiathleten zu versuchen ist wie mit dem Kleinkind und der heißen Herdplatte. Man wird sich daran verbrennen. Also versuche ich als Coach meinen Schützling vor Dummheiten zu bewahren und ihm die „Herdplatten“-Erfahrung zu ersparen.


Im Prinzip sollte man sich als Athlet mit Überzeugung diesen oder jenen Coach ausgesucht haben. Man sucht sich doch keinen Coach mit dessen Trainingsphilosophie und mit dessen Art und Weise man eigentlich gar nichts anfangen kann, richtig? Wie bei jeder menschlichen Beziehung gibt es da einen fundamentalen Grundstein: VERTRAUEN. Ich entscheide mich für Dich und das heißt auch, dass ich Dir vertraue. Wird dieses Vertrauen missbraucht oder gebrochen geht in den meisten Fällen die gesamte Beziehung zugrunde oder ist nur schwer wieder zu reparieren. Im Prinzip ist das nichts anderes bei der Trainer-Athleten Beziehung.


Wie lange hält nun eine Beziehung, wenn man STÄNDIG das Vertrauen des Partners in Frage stellt?


Wenn ich mich als Coach ständig in Frage gestellt sehe, biete ich meinem Athleten schlichtweg an sich einen anderen Coach zu suchen. Auch ich als Athlet wurde vor die Entscheidung gestellt „Entweder 100% das was auf meinem Trainingsplan steht oder Du machst Dein eigenes Ding“. PENG. Ganz ehrlich, das hat mir damals einen Mords Respekt verschafft UND ich dachte plötzlich – hey, mein Coach MUSS wissen was er/sie da tut sonst würde er/sie da nicht darauf bestehen. Und in dem Fall war das auch mit Garantie so. Es gab aber ebenso schon den anderen Fall. Da hatte ich leider das Gefühl, dass der Plan den ich da als Profi-Athletin bekomme, einfach auch der Plan ist, den der ambitionierte männliche 50-jährige Altersklassenathlet durchläuft. Ein bisschen kam es mir vor wie „Mund halten und machen“. Sehr wenig Individualität, Flexibilität und dafür ein umso kommerzielleres Businessmodell. Gut für den Coach, schlecht für den Athleten. Da war ich schnell wieder weg.


Wir sind alle erwachsene Menschen (zumindest die, die eine Triathlon Langdistanz angehen!), keiner zwingt uns irgendetwas zu tun oder zu lassen, wir können frei entscheiden auf was wir uns einlassen und was nicht. In diesem Sinne haben wir riesiges Glück und einen großen Vorteil.


Meine Vorstellung von einer gesunden Trainer-Athleten Beziehung basiert - wie gesagt - in erster Linie auf Vertrauen, Ehrlichkeit und dem richtigen Maß an Kommunikation. Wir sollten die Zeit des Gegenübers mit Respekt behandeln und nicht überbeanspruchen. Genauso wenig wie ich einem Athleten mit Job, Familie und sozialen Verpflichtungen einen 20+ Wochenstundenplan auftragen würde, erwarte ich als Trainer, dass mein Athlet selbst die Verantwortung über die Umsetzung seines Trainings trägt. Dazu gehören dann eben auch so Dinge, wie die Überlegung, ob man eine Einheit ausfallen lässt, weil sich die Verwandtschaft kurzfristig zum Besuch angemeldet hat. Es gibt auf dieser Welt keinen Menschen der aus einem 24-Stunden Tag 30 Stunden herausholen kann. ABER man kann sich überlegen eine Stunde früher ins Bett zu gehen und das Trainingspensum zum Beispiel vor dem Eintreffen der lieben Verwandtschaft zu absolvieren. Habe ich eine Nacht nur 3 Stunden geschlafen und es ist die reinste Horrorvorstellung in dem Zustand eine 5-stündige Rad oder 2-stündige Laufeinheit zu absolvieren? Dann kürzt man die Einheit und schreibt ins Feedback „schlecht geschlafen, hundemüde, Einheit gekürzt“. Mit Garantie wird der Coach LOBEND reagieren und nicht verständnislos. Wenn der Athlet allerdings bis 24:00Uhr noch im Internet unterwegs war, es nicht auf die Reihe bringt eine seinen täglichen Anforderung entsprechende Schlafroutine umzusetzen und deshalb andauernd müde ist, dann sollte er/sie sich überlegen, was wichtiger ist. Ein Leben vor der Klotze/vorm Internet oder die sportliche Herausforderung.


So oder so – es kann nichts schaden, mit ein bisschen gesundem Menschenverstand sein Trainingsregime anzupassen, zu kontrollieren was man kontrollieren kann. Es werden immer Dinge dazwischen kommen mit denen man noch ein paar Tage zuvor nicht gerechnet hat. Ein eingeschobenes Seminar an der Uni, Geschäftstermine, ein Zahnarzt- oder Friseurtermin, schlechter Schlaf weil Vollmond, eine Veranstaltung im Hallenbad, Glatteis und Schnee, the list goes on…. Auch der beste Coach der Welt kann Zahnschmerzen nicht wegzaubern, Wartezeiten verkürzen, das kranke Kind gesund mache, den Vollmond halbieren, die Veranstaltung im Hallenbad absagen lassen, Glatteis und Schnee schmelzen. Daher kann es sehr hilfreich sein einfach mal im Sinne des Coaches nachzudenken. Eine gedankliche Unterhaltung mit Ihm/Ihr zu führen. Draußen ist es glatt – na dann radel ich auf der Rolle. Draußen ist das MEEEEGA schöne Wetter – na dann schaue ich mal, ob ich die Rolleneinheit auch draußen umsetzen kann. Ich hab Zahnschmerzen oder bin krank – ich erinnere mich daran, dass mein Coach darauf Wert legt, dass ich krank NICHT trainiere. Macht Euch als Athlet eigene Gedanken. Ihr spart Euch und Eurem Coach eine Menge wertvolle Zeit indem beide mitdenken. Normalerweise schreibt ein Coach verständliche Trainingspläne und wenn man nicht sofort die Kürzel versteht, dann denkt man noch ein zweites Mal drüber nach. Meistens löst sich das Rätsel und beantworten sich die Fragen dann ganz von selbst.


Um nochmal auf die Beziehung des Clowns und seiner geliebten Marie zurückzukommen. Sie haben es geschafft sich mit Banalitäten so aufzureiben, dass das Wesentliche plötzlich ganz aus dem Blickpunkt verschwunden ist: Die Liebe zueinander.


Daher mein kleiner Tipp an Athleten und Trainer: Der sportlichen Leidenschaft zuliebe – pflegt das gegenseitige Vertrauen und den Respekt vor den persönlichen Resourcen. Vor allem was Zeit, Kommunikation und gegenseitiges Verständnis betrifft.


In diesem Sinne: Onwards and upwards :-)

Eure Celi

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